Sophia Sabina Apitzsch wurde im Jahr 1692 als älteste Tochter des Zeugmachers und hochgräflichen schönburgischen Gerichtsschöppen (Schöffe) Johann Apitzsch und dessen Ehefrau Anna Maria in Lunzenau geboren. Da sie schon als Kind sehr begabt war, wurde sie von ihren Eltern verwöhnt und von Bekannten bewundert.

Als junges Mädchen genoss sie eine für ihre Verhältnisse besonders gute Erziehung und besuchte auswärtige höhere Schulen. Das enge Elternhaus und die bescheidenen Verhältnisse, unter denen sie aufgewachsen war, genügten ihr nicht mehr; ihr Sinn stand nach der Ferne und großen Erlebnissen. Der Gedanke, ein Leben lang die eintönigen Arbeiten eines „Hausmütterchens“ erledigen zu müssen, quälte sie. Besonders unerträglich wurde ihr die Vorstellung, als sich im Jahr 1710 der Jäger Matthias Melchior Leonhard mit ihr verlobte. Anfangs wusste sie die Eheschließung von Jahr zu Jahr hinauszuschieben, aber im Jahr 1713 drängten sowohl ihr Bräutigam als auch ihre Eltern zum Vollzug der Ehe. Sophia Sabina wusste sich nicht anders zu helfen, als dass sie bei Nacht und Nebel von zu Hause fortlief. Angezogen war sie mit ihres Vaters Sonntagsstaat, insbesondere mit seinem schwarzen Rock und Hut. Mit wenigen Groschen in der Tasche, aber mit frohem Mut und gepaart mit Abenteuerlust, wanderte sie in die Welt hinaus und gab sich, überall wohin sie kam, als junger Barbier (Friseurgeselle) aus.

Zunächst führte sie ihr Weg nach Ansbach in Bayern. Hier wurde sie, da sie sich nicht ausweisen konnte, als Fremder unters Militär gesteckt, wo sie auch 4 Wochen lang den schweren Kommissdienst mitmachte. Weil sie aber eine Entdeckung ihrer wahren Persönlichkeit fürchtete, floh sie von dort und kam auf ihrer Wanderung nach Leipzig und mietete sich im Gasthaus zum „Goldenen Hahn“ ein. In diesem Gasthaus wohnte zur gleichen Zeit eine herumziehende Seiltänzer- und Athleten-truppe. Aus dieser Truppe verliebte sich ein junges Mädchen in den zugereisten Barbier und wollte ihn auf der Stelle heiraten. Sie floh wieder. Diesmal verschlug es sie ins Erzgebirge, nach Aue. Hier nun wurde sie, zunächst gewiss ohne ihren Willen, lediglich aufgrund des einmal im Gebirge weit verbreiteten Gerüchts, dass der Kurprinz Friedrich August inkognito, d. h. unter fremdem Namen und verkleidet, das Land bereist und das obere Gebirge aufsuchen möchte, ganz entschieden für diesen Prinzen gehalten. Ihr blieb fast nichts übrig, als die Rolle zu spielen, die man ihr förmlich aufdrängte. Anfangs widerstrebte ihr innerlich diese Rolle, aber im Laufe der Zeit fühlte sie sich geschmeichelt und fügte sich bereitwillig in diese neue Lebenssituation. In Aue war es, wo es bald hieß, der Prinz sei da und man hätte ihn schon gesehen. Zwar habe er sich für einen vertriebenen Schulmeister ausgegeben und den Prinzen verleugnet, ja er habe sogar Almosen angenommen, doch es sei sicher, dass es der Prinz sei, da man ihn an seinem Gesicht erkenne. Von Aue aus begab sich der „Prinz“ nach Buchholz. Doch in Buchholz wurde die Polizei auf „ihn“ aufmerksam und schöpfte Verdacht, dass es ein falscher Prinz sein könnte. Fluchtartig verließ unser Prinz den Ort, vergaß aber seinen Hut und sein Halstuch. In Oederan angekommen, war der Verkleideten auch hier das Gerücht vorausgeeilt, dass sie der Prinz sei. Mit der Bitte um Rechtsbeistand wandte sie sich an den Kreisinspektor Vogel. Dieser zweifelte nicht im geringsten daran, dass er es mit einem „Höheren“ zu tun habe und vermittelte die Angelegenheit in Buchholz gütlich.

In Hetzdorf bei Oederan lebte damals der Besitzer des Erbgerichtes, der sächsisch-weißenfelsische Kammerrat Volkmar, ein sehr wohlhabender, eitler und ehrgeiziger Mann, der bestrebt war, in den Adelsstand erhoben zu werden. Als dieser von dem Prinzen hörte, lud er ihn in sein Anwesen nach Hetzdorf ein. Unserem „Prinzen“ war das sehr angenehm. Er versicherte dem Kammerrat jedoch mehrmals, dass er ein Zeugemacher aus Dresden sei und Merbik heiße. Doch der Kammerrat glaubte dem Prinzen diese Worte nicht und überhäufte ihn mit Geschenken. Er kleidete ihn völlig neu ein und schenkte ihm sogar ein eigenes Pferd. Auf diesem Pferd ritt der „Prinz“, als sei er es von Jugend an so gewöhnt. Der Kammerrat führte ihn auch höchst-persönlich nach Augustusburg und sorgte dafür, dass ihm alles Sehenswerte gebührend gezeigt wurde. Auch lieh er ihm 600 Taler, damit er weitere Reisen ins Erzgebirge, natürlich zu Pferd und mit zwei Dienern als Begleitung, machen konnte.

Schnell konnte der Betrug aufgeklärt werden. Adlige aus der Gegend um Hetzdorf wussten, dass der richtige Kurprinz zu dieser Zeit nach Paris reisen wollte und meldeten verwundert seine Anwesenheit in Hetzdorf an den Hof nach Dresden. Da man in Dresden über diese sonderbare Nachricht stutzig geworden war, schickte man einen Hofdiener nach Hetzdorf, der die Wahrheit feststellen sollte.

Die Untersuchungen ergaben zum allgemeinem Erstaunen und zur Beschämung derer, die sich so sehr für den Prinzen eingesetzt hatten, dass der Prinz kein wirklicher Prinz war, ja nicht einmal ein Mann, sondern Sophie Sabine Apitzsch aus Lunzenau. Sie musste ihren Betrug schwer büßen. Nachdem sie lange genug im Gefängnis des Schlosses Augustusburg gesessen hatte, wo sie sogar mit Höflichkeit behandelt worden war, erging im Juni 1716 vom Schöppenstuhl in Leipzig ein Erlass, dessen Schlussurteil lautete:

„So ist Sophie Sabina Apitzsch mit Staubenschlägen des Landes ewig zu verweisen, es wäre denn, dass weil sie im abgewischenen 1715 Jahre mit einem Schlagflusse (Schlaganfall) befallen worden, solche Leibesstrafe ohne Gefahr ihres Lebens und Gesundheit an ihr nicht zu exeguieren (vollziehen) worüber allenfalls eines verständigen Medici Gutachten einzuholen und zu den Akten zu bringen. Auf den Fall wäre, ohne diesselbe, die ewige Landesverweisung an ihr zu vollstrecken, auch sie sodann, da sie es im Vermögen hat, die auf diesen Prozess gewandten Unkosten abzuführen schuldig.“

Der Kurfürst, der nicht so sehr für eine harte Bestrafung war, milderte das Urteil ab. Anstatt mit Staubenschlag wurde „Prinz Lieschen“ mit Ruten im Gefängnis gezüchtigt, um dann in das Zuchthaus nach Waldheim gebracht zu werden. In Waldheim hatte sie es relativ gut. Man gab ihr eine eigene Stube und ließ sie sogar mit den Angestellten speisen. Auch ihre Gesuche an den König um völlige Begnadigung wurden von Waldheim aus stets warm befürwortet, sodass der König gewiss nicht ungern und im Einklang mit der öffentlichen Meinung, in ihr nicht den Verbrecher, sondern eher den Schalk und Schelm sah, der einen aufgeblasenen Gecken in ergötzlicher Weise geprellt hattet.

Am 15. Oktober 1717 ist unser „Prinz Lieschen“ aus dem Zuchthaus Waldheim entlassen worden. Sie hat durch ihre Erlebnisse eine Berühmtheit erlangt, wie sie nur wenigen Menschen zuteilwird. Nach ihrer Freilassung hat sie einen Triumphzug durch das ganze Land gemacht. Es kamen viele Leute um aus Neugierde den Erzschelm persönlich kennenzulernen. Endlich heimgekehrt, lebte Sophia Sabine Apitzsch hier in ihrer Heimat in aller Zurückgezogenheit und Ehrbarkeit noch viele Jahre bei ihren Eltern, ohne jemals geheiratet zu haben. Am 03. Februar 1752 ist sie gestorben und am 06. Februar christlich beerdigt wurden, wie es die alten Kirchenbücher bezeugen.

Das Geburtshaus von „Prinz Lieschen“ befindet sich in der Altenburger Straße 5 in Lunzenau. Hier ist eine Gedenktafel mit folgender Inschrift angebracht:

  • Geburtshaus von „Prinz Lieschen“ - 1692 bis 1752
  • Sophia Sabine Apitzsch reiste 1714 in Manneskleidung durchs Land. Sie wird für den sächsischen Kurprinzen Friedrich August; Sohn Augusts des Starken, gehalten. Als der Schwindel herauskommt, wird sie als erste Frau ins Zuchthaus Waldheim ein gesperrt und heißt seitdem im Volk „Prinz Lieschen“.

Quelle: Kirchenchronik Lunzenau / Ortschronistin K. Mehner in Sagensammlung Band 1

Prinz Lieschen auf dem Marktbrunnen in Lunzenau (Quelle: Sagensammlung, Bd. 1; Archiv Heimat- und Verkehrsverein "Rochlitzer Muldental" e.V.)
Prinz Lieschen auf dem Marktbrunnen in Lunzenau (Quelle: Sagensammlung, Bd. 1; Archiv Heimat- und Verkehrsverein "Rochlitzer Muldental" e.V.)