Viele Jahre genoss Kaiserin Kunigunde das Vertrauen ihres Gemahls. Weilte Heinrich II.* in Italien oder führte sein Heer in Feindesland, so setzte er sie als Statthalterin ein. Vermutlich neideten ihr viele diese Machtstellung. Gerüchte kamen auf und wurden bald dem Kaiser zugetragen: Die Kaiserin pflege verbotenen Umgang mit einem Geistlichen. Sie sei keine Jungfrau mehr, wie ihr Gemahl glaube.

Da die Gerüchte nicht verstummten, zweifelte nun auch der Kaiser an Kunigundes Treue und Unschuld und bezichtigte sie des Ehebruchs. Kunigunde wies alle Vorwürfe zurück und erklärte sich sogar bereit, durch ein Gottesurteil ihre Keuschheit zu beweisen: „Ebenso unschuldig ich Eures Leibes bin, ebenso unschuldig bin ich auch an allen anderen Männern und beweise meine Unschuld mit glühenden Pflugscharen, die sollen meinem Leibe nicht schaden.“

Auf dem Platz, wo sich heute die Kirche befindet, wurde ein Feuer entzündet und darin sieben Pflugschare bis zur Rotglut erhitzt. Die hohe Frau nahm sie eigenhändig aus den Flammen, legte sie aus und schritt mit bloßen Füßen über die noch immer glühenden Eisen hinweg. Völlig unversehrt überstand sie die Probe. Ihr Körper wies auch nicht die kleinste Brandwunde auf. Tief beschämt sank der Kaiser vor seiner Gemahlin auf die Knie und bat sie um Abbitte. Zur Erinnerung an dieses Ereignis aber ließ er an der Stelle, wo das Gottesgericht stattgefunden, eine Kirche errichten. Kaiserin Kunigunde beaufsichtigte selbst den Bau. Nach mündlicher Überlieferung soll Kaiserin Kunigunde auch noch die Rochlitzer Brücke gegründet haben.

Der Chronist Thietmar allerdings, der oft mit der Kaiserin zusammentraf, viele Daten aus dem Leben des Kaiserpaares niederschrieb und auch jedes ihm bekannt-gewordene „Wunder“ aufzeichnete, erwähnt weder das Gottesurteil noch den Kirchen- und Brückenbau mit auch nur einer Silbe. Dabei hatte er zum Burgward Rochlitz, wie schon erzählt, wegen des strittigen Forstes, eine durchaus persönliche Beziehung. Er nennt Kunigunde als Stifterin eines Nonnenklosters zu Kaufungen (bei Kassel) und bezeichnet die Beziehung des kaiserlichen Paares als liebevoll.

Kunigunde von Luxemburg war seit 998 oder 1000 mit Heinrich von Bayern vermählt, der nach dem Tod Kaiser Ottos III. im Jahre 1002 als Heinrich II. zum König gewählt wurde (Heinrich hatte sich, als der Leichnam Ottos lll. aus Italien durch bayrisches Gebiet weiter nach Aachen gebracht wurde, der Reichsinsignien bemächtigt, um seinen Ansprüchen Nachdruck zu verleihen und konnte sich gegen Herzog Hermann von Schwaben und Markgraf Ekkehard von Meißen im Kampf um die Nachfolge behaupten.) Kunigunde begleitete ihren Gemahl häufig auf seinen Reisen durch das Reich und übte auf die Regierungsgeschäfte erheblichen Einfluss aus. Am 14. 2. 1014 vollzog Papst Benedikt VIII. in Rom an König Heinrich und seiner Gemahlin die Kaiserkrönung. Nach dem Tode ihres Gemahls zog sich die Kaiserin 1025 in das von ihr gegründete Kloster Kaufungen zurück und wurde Nonne. Dort starb sie am 3.3.1033. Kunigunde wurde im Dom zu Bamberg begraben, an der Seite ihres Gemahls. (Tilmann Riemenschneider gestaltete 1499 - 1513 für das Paar ein kunstvolles Prachtgrabmal aus Solnhofer Schiefer.)

Kaiser Heinrich II. wurde 1146 heiliggesprochen, wahrscheinlich weniger wegen seines „frommen“ Lebenswandels, als wegen der zahlreichen großzügigen Zuwendungen, die er der Kirche gemacht hatte. Kunigunde widerfuhr die Auszeichnung der Seligsprechung im Jahre 1200. Der 13. Juli ist beider Heiligentag.

Der 1199 von einem Anonymus verfasste Lebenslauf der Kaiserin ist überwiegend legendarisch und war wohl im Hinblick auf ihre im darauffolgenden Jahr erfolgte Heiligsprechung abgefasst. Letztere lieferte später den Hintergrund für weitere Legenden.

Da die Ehe des Kaiserpaares kinderlos geblieben war, behauptete man, die beiden hätten enthaltsam gelebt nach dem Vorbild Marias und Josephs.

Die heutige Kunigundenkirche ist wegen ihrer in Sachsen einmaligen Architektur berühmt. Die spätgotische Hallenkirche wurde 1476 anstelle einer vorhandenen romanischen Kapelle am Ostende des Marktes neu errichtet. Damals jedenfalls muss die feste Vorstellung bestanden haben, daß Kunigunde und Heinrich die Vorgängerin gestiftet hatten, denn in jenem Jahr wurde das kaiserliche Paar in Form von Terrakottafiguren am Südportal verewigt.

Der 1513 beendete spätgotische Hochaltar mit dreifachen Flügeln zeigt im Schrein das Kaiserpaar zwischen Anna Selbdritt und dem Apostel Thomas. Auf dem prächtigen Flügelaltar sind Ereignisse aus dem Leben der Kaiserin veranschaulicht: ihre Verlobung, die Anklage wegen ihrer vermeintlichen Untreue, die Feuerprobe und der Bau der Rochlitzer Kirche unter ihrer Aufsicht. Eine Schnitzerei ehrt noch einmal die Eheleute als Stifter: Heinrich und Kunigunde halten gemeinsam das Kirchenmodell.

* Heinrich II., der Heilige (06.05.973-13.07.1024): König seit 1002; gegen Markgraf Ekkehard I. von Meißen und Herzog Hermann II. von Schwaben wurde der Herzog von Bayern als Verwandter des Kaiserhauses im Jahre 1002 zum König gewählt.

Quelle: R. Röhner: Burgen, Schätze, Spukgestalten, Chemnitzer Verlag, 1996 in Sagensammlung Band 2

Schloss Rochlitz (Quelle: Jürgen Ross, Sagenhaftes Mittelsachsen, Modellprojekt 2017; Fördergesellschaft Regio Döbeln e.V.)
Schloss Rochlitz (Quelle: Jürgen Ross, Sagenhaftes Mittelsachsen, Modellprojekt 2017; Fördergesellschaft Regio Döbeln e.V.)